Sensationslust und blockierte Rettungsgassen sind zunehmend ein Problem auf deutschen Straßen. Immer mehr Retter klagen über rücksichtslose Gaffer. Eine Initiative soll Abhilfe schaffen.

Für den ADAC Piloten Dirk Buchholz, unterwegs mit Christoph 30 aus Wolfenbüttel, gehören Schaulustige am Unfallort zum Alltag: „Insbesondere auf den Autobahnen. Die Leute fahren vorbei, gucken nicht auf den Vordermann, zücken das Handy und fotografieren oder filmen sogar.“

Behinderung der rettungskräfte
Gaffen, fotografieren, filmen: Schaulustige an Unfallstellen behindern immer wieder die Rettungskräfte

Dabei sollte es jeder besser wissen: Landet der Hubschrauber, geht es um Leben und Tod. Die Unfallstelle muss weit genug abgesperrt sein. Um die Rettung nicht zu behindern und sich selbst nicht zu gefährden, ist besondere Vorsicht und Umsicht gefordert:-Mindestens 50 Meter Abstand sind notwendig, damit die Luftretter zügig und sicher landen können. Immerhin herrschen an den Kufen der Rettungshubschrauber Windgeschwindigkeiten von etwa 120 Stundenkilometern. Das ist Orkanstärke. Nicht mal ein halbes Jahr ist es her, als das Team von Christoph 30 auf der vielbefahrenen A 2 minutenlang über einer Einsatzstelle kreisen musste, ohne landen zu können, weil Autofahrer den Landeplatz versperrten.

Der Innenminister des Landes Niedersachsen, Boris Pistorius, setzt sich schon seit längerem für härtere Strafen für Gaffer ein: „Wer schon einmal eine Panne hatte oder an einem Unfall beteiligt war, weiß wie wichtig es ist, schnelle und effektive Hilfe zu erhalten. ‘Helfen statt gaffen‘ steht dabei für zahlreiche Möglichkeiten, mit denen wirklich jeder in Notfällen helfen kann. Einfache, aber effektive Maßnahmen sind etwa das Absetzen eines Notrufes, die Einleitung Erster Hilfe Maßnahmen oder die Bildung einer Rettungsgasse. Wir können und werden es jedoch nicht akzeptieren, wenn Menschen aus reiner Sensationsgier unsere Rettungskräfte behindern und dabei sogar noch filmen und fotografieren.“

Für die Aktion „HELFEN STATT GAFFEN“ kooperieren das Innenministerium neben dem ADAC Regionalclub mit der Polizei, dem Landesfeuerwehrverband, mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Johanniter-Unfall-Hilfe und der Landesverkehrswacht. Gemeinsam wurde ein Film produziert, der für die Problematik sensibilisieren soll und die Erfahrungen der Rettungskräfte und eines Betroffenen zeigt.

Kmpagne Helfen statt gaffen
Die Kampagne wird präsentiert und soll Aufmerksamkeit schaffen.

Der Bereichsleiter für Einsatzdienste der Johanniter im Landesverband Niedersachsen/Bremen, Thorsten Ernst sagt hierzu: „Die Praxis zeigt leider immer wieder, dass Gaffer uns im Einsatz behindern und dadurch entscheidende Sekunden verstreichen. Früher waren es meist nur Schaulustige am Rande, heute wird vielfach direkt mittendrin fotografiert und gefilmt, um das Ganze anschließend im Internet zu verbreiten. Das ist respektlos gegenüber Opfern und Rettungskräften und kann im Zweifel Leben kosten.“

Dr. Erwin Petersen, Vizepräsident der Landesverkehrswacht fügt hinzu: „Es wird kaum Rücksicht auf die Opfer oder das Leid der Angehörigen genommen. Unfallopfer sind häufig schneller im Internet zu sehen, als auf dem OP-Tisch. Die zunehmende Skrupellosigkeit der Gaffer wird immer mehr zu einer Belastung für Polizei, Feuerwehr, Ärzte und Sanitäter“.

Absichern, helfen und Raum schaffen für die Rettungskräfte – ohne sich selbst dabei in Gefahr zu bringen: Das sind die wichtigsten Regeln nach einem Verkehrsunfall. Nachfolgende Autofahrer müssen umgehend per Warndreieck und Warnblinker auf die Unfallstelle aufmerksam gemacht und die Rettungskräfte verständigt werden. Für Unfallzeugen und unverletzte Fahrzeuginsassen heißt es, wenn nötig Erste Hilfe leisten und sich hinter der Schutzplanke in Sicherheit bringen.

ADAC Pilot Dirk Buchholz schildert seine Erfahrungen
Für ADAC Pilot Dirk Buchholz, unterwegs mit Christoph 30 aus Wolfenbüttel, gehören Schaulustige am Unfallort zum Alltag

Sind bereits Helfer vor Ort, sollten Autofahrer die Unfallstelle zügig passieren, um die Rettungskräfte nicht bei ihrer Arbeit zu behindern und Staus zu vermeiden. Falls Polizisten vor Ort sind, ist ihren Anweisungen Folge zu leisten.

Rettungsgasse bilden …

Staut es sich vor einer Unfallstelle, muss eine Rettungsgasse gebildet werden, denn es kommt häufig auf jede Sekunde an. Je schneller Polizei, Feuerwehr oder Notarzt am Einsatzort sind, desto größer ist die Überlebenschance möglicher Unfallopfer.

Die Rettungsgasse muss bereits bei stockendem Verkehr gebildet werden. Daher ist es wichtig, ausreichend Abstand zum Vordermann zu halten. Wenn die Fahrzeuge bereits dicht an dicht stehen, ist es meist nicht mehr möglich, den Einsatzfahrzeugen nach links und rechts auszuweichen.

… aber wie?

Auf Autobahnen und Straßen mit mehreren Fahrstreifen je Richtung weichen die Fahrzeuge auf der linken Spur nach links aus. Wer auf dem mittleren oder rechten Fahrstreifen unterwegs ist, orientiert sich nach rechts.

Text: Christine Rettig
Bilder: Johanniter Unfallhilfe