Mit Hochdruck arbeiten die Studenten der Hochschule Stralsund an einem Carbon-Fahrzeug, das emissionsfrei fährt. Im Sommer will das Team seinen Europameistertitel in London verteidigen.
Eine Werkstatt in Stralsund. Auf einem Podest steht das schmales Rennauto der „ThaiGers“, das einer Weltraumkapsel ähnelt. Der Student Patrick Kupfer öffnet das Heck. Wie gern würde er hier die selbst entwickelte Brennstoffzelle einsetzen. Doch für das nächste Rennen im Sommer müssen der 30-Jährige und der Rest des Teams aus Zeitgründen noch mit einer „kommerziellen“ vorlieb nehmen.
Das Rennauto „ThaiGer H2 Racing“ wurde von Studenten der Hochschule Stralsund am Institut für Regenerative EnergieSysteme entwickelt, in der Werkstatt auf dem Campus. Statt durch Diesel oder Benzin wird es mit Wasserstoff angetrieben. Und zwar so effizient, dass der Flitzer beim Shell Eco-marathon Europe 2017 den ersten Platz in der Klasse „Wasserstoff-Prototyp Rennwagen“ einfuhr. Natürlich soll dieser Titel verteidigt werden. Dafür hat nun die heiße Phase begonnen, die Aufregung steigt. Täglich wird an dem Wagen gearbeitet.
Merit Hantke macht die Liegeprobe. Sie saß beim Sieg in der britischen Hauptstadt am Steuer. Das Fahren sei nicht das Problem, versichert die 21-Jährige. „Klar muss ich die Kurven ein bisschen schneiden und mich bergab rollen lassen“. Denn im Queen Elizabeth Olympia-Park entscheidet der Verbrauch. 1,6 Kilometer müssen zehn Mal gefahren werden, innerhalb von 39 Minuten, erzählt Hantke, während sie ihr Stützkissen zurecht rückt. 25 Stundenkilometer kann sie maximal aus der sparsamen Rennmaschine rausholen.
Klein und zierlich ist nicht nur die Studentin, sondern auch der Wagen: Mit 22 Kilogramm ein Leichtgewicht. Er besteht fast ausschließlich aus dem Kunststoff Carbon, erklärt Johannes Gulden. Der Dozent managt das Projekt gemeinsam mit Professor Thomas Luschtinetz, der vor zehn Jahren mit der Entwicklung emissionsfreier Rennautos begann – damals noch mit Thailand als Partner, daher der Teamname „ThaiGer“.
„Alle Studiengänge dürfen mitmachen. Ein Ingenieur-Genie muss niemand sein, nur etwas tüfteln können“, sagt Annika Döring. Die 21-Jährige studierte Tourismusmanagement als sie bei der „Ersti-Party“ am Grill fürs Team angeworben wurde. Jetzt ist sie Feuer und Flamme – im Gegensatz zum Auto. Denn wenn sich Wasserstoff und Sauerstoff miteinander verbinden, gibt es keine heiße, sondern eine kalte Verbrennung. Der Wasserstoff wird in einer 0,35 Liter-Druckgasflasche mit 200 bar mitgeführt und in der Brennstoffzelle in elektrische Energie umgewandelt. Arbeit und Material des Wagens sind locker einen Kleinwagen wert.
In London muss das Team nun wieder über mehrere Tage Tests zur Sicherheit bestehen. Und mal auch etwas ausbessern. „Letztes Jahr ist mir einer der Carbon-Verschlüsse am Gurt gebrochen“, erinnert sich Merit Hantke. Die „Konkurrenten“ der Uni Rostock, eines der insgesamt 150 Teams aus 27 Ländern, haben mit einer Alu-Schnalle ausgeholfen. Der Zusammenhalt ist gut. In diesem Jahr soll es möglichst störungsfrei und natürlich auch wieder als Erster ins Ziel gehen. Dafür muss noch viel angepasst, getestet und geschraubt werden. Und dann sind da noch die Uniprüfungen. Trotzdem: Den Studenten ist es das jede Sekunde wert.
Autorin: Claudia Tupeit
Bilder: Christian Rödel