Die Logik der Logistik: Einblicke in den Bauch der Fähre Kiel–Göteborg, in dem jeden Tag Tetris-Künste verlangt sind. Bei der Verladung sind Fingerspitzengefühl und Schnelligkeit verlangt.
Willkommen an Bord. Wenn die Stena Germanica in Kiel ablegt, gilt das nicht nur für jährlich mehr als 400.000 Menschen, sondern ebenso für Fahrzeuge, Trailer und Frachtstücke der eher ungewöhnlichen Art. Den Bauch des Schiffes auf für alle Beteiligten auf bekömmliche Weise zu füllen, bedeutet dabei erhebliche Tüftelarbeit. „Das ist ein bisschen wie ein großes Tetris-Spiel“, grinst Daniel Ellenbrant.
Er muss es wissen. Ellenbrant ist Steuermann und verantwortlich dafür, dass die Germanica und ihre etwas größere Schwester Scandinavica weder mit Schlagseite noch sonst irgendwie merkwürdig zwischen Kiel und Göteborg unterwegs sind. Eine durchdachte Beladung ist dazu unnverzichtbar. Nicht nur, dass die Fracht über die Breite und Höhe des Schiffes hinweg ausgewogen verteilt sein muss, alles sollte auch nochso organisiert sein, dass Laden wie Löschen möglichst schnell vonstattengeht.
Sicher hat die Fuhre natürlich ebenfalls unterwegs zu sein. Obwohl die Ostsee im Vergleich zur Nordsee mit ihren gern mal zehn Meter hohen Wellen als ausgesprochen stilles Wasser gilt, ist eine ordentliche Fixierung Pflicht. Sofern es sich um Gefahrgut handelt, ist zudem die Zugänglichkeit ein großes Thema. Alles, was giftig oder explosiv ist, wird ganz oben verstaut, wo es im Zweifel leicht zu bergen ist und eine Sprinkleranlage verhindern soll, dass sich ein Feuer ausbreitet.
„Wir haben schon ein Schema, nach dem wir arbeiten, aber oft müssen wir auch ein wenig davon abweichen“, erklärt Ellenbrant die Logik des Ladens. Was allein schon daran liegt, dass einzelne Frachtstücke gern mal aus dem Rahmen fallen. Diesmal hat die Stena Germanica, die wie immer um 9.15 Uhr am Schwedenkai mitten in der Kieler Innenstadt einläuft, 90 Personenwagen an Bord, dazu 50 Trucks und 35 Trailer. Es findet sich aber auch ein gewaltiger Radlader, dessen Dimensionen durchaus einem Panzer zur Ehre gereichen würden. Im Sommer wiederum verkompliziert sich das Beladen durch bis zu 250 Urlauber-Autos.
In Höhe der Wasseroberfläche die Lkw, in der Mitte die Container und Trailer, oben das Gefahrgut und im Keller die Pkw: So in etwa lautet die Grundordnung für das gut 240 Meter lange Schiff. Ist es komplett voll, würde die Fracht aneinandergereiht eine Strecke von vier Kilometern ausmachen. „Da muss man dann schon Gas geben“, sagt Vorarbeiter Sven Horst von der Kieler Seehafen GmbH. Sobald das Schiff angelegt hat, sind Horst oder einer seiner Kollegen der wichtigste Ansprechpartner für Männer wie Ellenbrant – Löschen und Beladen sind ihr Job. Ladelogik auch hier: Selbstfahrer verlassen das Schiff zuerst, danach macht sich die Truppe von Vorarbeiter Horst ans Werk. Jede Menge fabrikneue Volvos werden mal wieder herausgefahren, dazu die Trailer und eine ganze Reihe fahrerlos abgestellter Lastwagen.
Bis 12 Uhr muss die Stena Germanica leer sein, was nach Erfahrung von Vorarbeiter Horst ein sportliches Ziel darstellt. Besonders dann, wenn Frachtstücke so ihre Eigenheiten aufweisen: Ein Mega-Radlader will erst einmal fachgerecht bewegt werden, und neulich suchten die Männer vom Hafen geraume Zeit verzweifelt nach dem gut versteckten Anschaltknopf für ein Elektrofahrzeug.
Ist das Schiff dann frei, beginnt für Ellenbrant, Horst und ihre Kollegen das Tetris-Spiel von Neuem. Hereinspaziert heißt es dann für jede Menge Fracht von klein bis groß, von Quader bis Kubus, von harmlos bis potenziell gefährlich. Damit der Kapitän Punkt 18.45 Uhr für die Fahrt zurück nach Schweden Signal geben kann.
Text: Martin Geist
Fotos: Thomas Eisenkrätzer