Ein Paar Ski oder ein Snowboard mit den eigenen Händen bauen? Das geht: Bei Craftski fertigen Wintersportler in einem Workshop ihre Bretter selbst an.
„Es geht bergauf“, sagt Steffen Heycke. Was komisch ist, weil er sich mit Gegenständen beschäftigt, die ausschließlich dazu gedacht sind, Hänge herunter zu sausen: Es geht um Ski und um Snowboards, um Split- und Raceboards. Dabei bietet Heycke die Bretter nicht einfach zum Verkauf an, sondern veranstaltet Wochenendkurse, in denen man seine Sportgeräte selbst herstellen und am Ende mit nach Hause nehmen kann. Im August 2016 ging sein Unternehmen Craftski an den Start – und das Geschäft mit den Workshops läuft gut.
An diesem Sonnabend arbeiten sechs Teilnehmer in der hellen Werkstatt im Hamburger Stadtteil Eidelstedt, fixieren mit kleinen Klemmen Stahlkanten an vorgeschnittene Beläge, während Stephan Heycke zwischen den Arbeitstischen hin und her huscht, kontrolliert und Ratschläge gibt. Was unschwer zu erkennen ist: Der Kursleiter fühlt sich wohl in seinem Job.
Das war nicht immer so. Heycke war zuletzt beim SGS Institut Fresenius tätig, führte 120 Mitarbeiter, prüfte Lampen, Küchen- und Sportgeräte auf ihre Sicherheit, verdiente viel Geld – und brannte aus. Es folgte ein Sabbatjahr und die Überlegung, was man mit seiner Zeit anfängt. Der gelernte Diplom-Volkswirt erzählt: „Ich bin kein Weltreisender und brauche keinen Sportwagen. Zuhause rumsitzen kann ich auch nicht. Und ich wollte immer eine schöne Werkstatt haben.“ Der 51-Jährige ist leidenschaftlicher Bastler – und steht seit Kindesbeinen auf Skiern. Zwei Jahre zuvor hatte er irgendwo gelesen, dass man die selbst bauen kann. Heycke: „Das war wie ein Virus – und hat mich nicht losgelassen.“ Ganz offenbar. Heycke kündigte seinen Job, investierte Geld, hielt den ersten Kurs ab und die Anfragen trudelten ein.
Vom 14-jährigen Schüler bis zum 83-Jährigen war schon alles dabei, die meisten Teilnehmer kommen aus Hamburg – aber nicht nur. An diesem Tag stammt nur Tim aus der Hansestadt, Axel ist aus Bremen angereist, Rüdiger und sein Sohn aus Hameln, Jan und Tanja aus dem Ruhrpott. So auch Thorbjörn, der gerade nach Sekundenkleber fragt. „Der steht im Kühlschrank. Nimm gleich zwei oder drei Flaschen mit“, ruft ihm Heycke zu. Mit jedem wurde ein ausführliches Vorgespräch geführt, in dem Größe und Gewicht, Körperhaltung und fahrerisches Können abgefragt wird, dann werden Geometrie und Länge des Skis festgelegt. „Vielleicht bin ich ein bisschen detailverliebter als andere“, sagt Heycke und zuckt mit den Schultern.
Seit neun Uhr morgens sind die Teilnehmer schon am Werkeln. Zuerst wurden die aus Polyethylen bestehenden Skibeläge ausgeschnitten, die Stahlkanten gebogen und an der Lauffläche fixiert. Als nächster Schritt wird das Dekor für die Oberseite ausgesucht: Wie soll der Ski aussehen? Auf jeden Fall nicht so wie die Ware, die man im Laden kaufen kann. Jan wundert sich: „Wer denkt sich diese Designs bloß aus?“ Weil er aus dem Ruhrpott kommt, baut er sich hier einen kohlschwarzen Ski. Thorbjörn entscheidet sich für seine liebste Farb-Kombination Orange-Blau und Tanja wiederum überlegt, ob sie ein bemaltes Seidentuch einlaminiert. Sie lacht. „Heute muss ich mich nicht im Geschäft nicht mit Verkäufern rumschlagen, die mir schöne, pinkfarbene Mädchen-Ski andrehen wollen.“
Customizing liegt im Trend, keine Frage. Aber neben der individuellen Gestaltung ist auch die Qualität der Wintersportgeräte nicht ganz unwichtig. Für die Bretter werden hochwertige Materialien wie Hochleistungs-Epoxidharze verwendet, dazu bestehen die Ski- und Snowboardkerne aus massiven Hölzern. Nach der Oberflächengestaltung folgt die Einrichtung der Bauform, das Laminieren, das Durchtränken mit Epoxidharz und das Vakuumieren. Mit minus 0,9 bar werden die Bretter in die Form gebracht, dann bei 55 Grad Celsius unter Heizmatten über zehn Stunden „gebacken“ und schließlich geschliffen und lackiert.
Für ein selbst gebautes Paar Skier zahlen die Teilnehmer 620 Euro, für ein Snowboard 590 Euro. Die Materialien sind inklusive, allerdings kosten Extras wie Edelholzfurniere zusätzlich. Natürlich kann man günstige Skier von Massenherstellern schon ab 200 Euro kaufen, aber bei der Summe winkt Tanja ab. „Unter 600 Euro braucht man keinen kaufen.“ Und fügt dann hinzu: „Hier bekommst Du einen Top-Ski – und darfst ihn auch noch selber bauen.“
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Autorin: Wiebke Brauer
Bilder: Michael Nehrmann