Wie schneidet man ein Auto auf und birgt daraus einen Menschen? Wer sich das schon immer fragte, wird Feuerwehrmann – oder besucht zumindest für einen Tag einen Lehrgang.
Irgendwie hatte ich mir das als Kind einfacher vorgestellt. Feuerwehrmann sein, das hieß für mich, ein großes rotes Auto mit lauter Sirene zu fahren und Brände zu löschen. Aber dass der Helm drückt und über die Augen rutscht, dass die Schutzkleidung wie Blei am Körper hängt und riecht, als hätte ich zwei Wochen am brennenden Lagerfeuer gestanden – das hätte ich mir nicht im Traum vorstellen können. Dafür darf ich mit einer hydraulischen Rettungsschere die A-Säule eines roten Polos durchtrennen, was viel einfacher ist als vermutet. Zwar wiegt die 20 Kilo, aber dafür gleiten die Scherenblätter durch das Metall wie durch ein Stück Seife. Kein Kraftaufwand ist vonnöten, keine Mühe, kein Biegen und Brechen. Könnte ich den ganzen Tag machen, wenn ich ehrlich bin.
Was hier auf dem Übungsplatz der Feuerwehrakademie in Hamburg Billwerder stattfindet, ist Teil der 18-monatigen Ausbildung – oder aber der dreijährigen Lehre, die Schulabgänger seit dem Sommer absolvieren können. Sie alle werden nicht nur in Brand-, Umwelt-, Atemschutz und Beamtenrecht unterrichtet, sondern lernen auch das Erklimmen von Häusern und wie man möglichst behutsam einen eingeklemmten Menschen aus einem Fahrzeug birgt. Genau darum geht es heute: um die „Patientengerechte Rettung“, wie es korrekt heißt.
„Die größte Schwierigkeit ist dabei, den Patienten stabil zu halten“, erklärt mir Jörg Reimers, Fachbereichsleiter Technische Gefahrenabwehr. Reimers hat die Auszubildenden zu Beginn in zwei Gruppen eingeteilt, die einen üben auf dem Platz an einem Auto, das auf die Seite gekippt ist, die anderen an einem Fahrzeug, das auf dem Dach liegt.
Dann torpediert er seine Gruppe mit Fragen: Welche Aufgaben hat der innere Retter? Ab wann wird ein Hängetrauma kritisch? Und macht man sofort die Zündung aus? Die Antworten sind komplex, immerhin behalte ich, dass der innere Retter der Feuerwehrmann ist, der in das Fahrzeug hinein kriecht. Er beruhigt das Unfallopfer und steht auch im ständigen Kontakt mit den Kollegen draußen. Und die Zündung macht man nicht immer aus, weil sich dann in manchen Fahrzeugen der Sitz automatisch zurückstellt. Eine weitere Komplikation ist, dass man sich rettungstechnisch neuerdings auf Elektroautos einstellen muss und moderne Autos zahllose Airbags und widerstandsfähigere Karosserien haben, die sich schwerer aufschneiden lassen.
Dazu kommen die Schaulustigen. Spätestens in dem Moment, als mir ein Feuerwehrmann, der hier heute seine Kenntnisse auffrischt, erzählt, dass es oft auf der Gegenspur kracht, weil Gaffer mit ihren Handys ein Foto vom Unfall machen, frage ich mich einmal mehr, ob der Beruf so attraktiv ist, wie ich einst glaubte. „Es ist der beste Beruf der Welt“ höre ich als Antwort.
„Ja, das ist er auf jeden Fall“, bestätigt Jörg Reimers später. „Es ist schon ein erhabenes Gefühl, in ein Gebäude hineinzugehen, wenn alle Leute rauslaufen“. Auch er wollte als Junge Feuerwehrmann werden, jetzt ist er seit 32 Jahren dabei und das Feuer hat für ihn nichts von seiner Magie verloren. Übrigens sagt jeder, den man an diesem Tag fragt, sagt das gleiche: Trotz aller – teils recht schwer wiegender Nachteile – ist es ein wunderbarer Job. Ganz einfach, weil man Menschenleben rettet.
Autor: Wiebke Brauer
Fotos: Dennis Williamson