Auf der Strecke Buxtehude – Cuxhaven ist seit kurzem ein Zug ausschließlich mit Wasserstoff-Brennzellen unterwegs. Eine weltweite Premiere aus dem Norden im Norden.
Blaue Sitze, WLAN und eine fast geräuschlose Fahrt. Diese Merkmale zeichnen den Coradia iLint aus, den weltweit ersten Wasserstoffzug.
„Herzlich Willkommen im Coradia iLint“, tönt es durch die Lautsprecher. „Wir wünschen Ihnen eine angenehme, emissionsfreie Fahrt“. Surrend setzt sich das eisblaue Gefährt von Bremervörde in Richtung Cuxhaven in Bewegung.
Seit Winter letzten Jahres ist der Zug im regulären Linienbetrieb zwischen Buxtehude, Bremervörde über Bremerhaven nach Cuxhaven unterwegs. Die Bahnen fahren nicht nur durch Niedersachsen, sie wurden auch dort gebaut. Die Züge stammen aus dem Alstom-Werk in Salzgitter.
„Wir freuen uns, als weltweit erstes Verkehrsunternehmen einen Wasserstoffzug in Betrieb zu nehmen“, sagt Marcel Frank, Geschäftsführer der EVB. Da die Elektrifizierung der Strecke von Cuxhaven nach Buxtehude in naher Zukunft nicht wahrscheinlich sei und die EVB in Bremervörde einen zentralen Standpunkt hat, sei diese Verbindung ideal, um die neue Technologie zu testen.
„Wie umweltfreundlich die neue Technologie tatsächlich ist, hängt nicht vom Hersteller ab, sondern vom Betreiber“, erläutert Markus Hecht, Professor für Schienenfahrzeuge an der Technischen Universität in Berlin. Entsteht der Wasserstoff etwa mithilfe von Windenergie, sei der Zug deutlich klimafreundlicher, als wenn der Wasserstoff mit Erdöl oder Kohle hergestellt wird. Zunächst würden die Züge mit sogenanntem grauen Wasserstoff betankt, der aus der Industrie stammt.
„Bis 2021 werden wir die Bahnen mithilfe der On- und Offshore-Energie ausschließlich mit grünem Wasserstoff versorgen“, sagt Enak Ferlemann, Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr.
Optisch unterscheiden sich die Dieselbahnen kaum vom iLint. Schließlich dienten die Dieselzüge bei der Entwicklung der Wasserstoffbahnen als Vorbild. Entsprechend ist auch das Fahrgefühl sehr ähnlich. Den größten Unterschied zwischen den beiden Modellen gibt es bei der Anfahrt. Dieselbahnen sorgen für viel Krach, wenn sie ihren Motor anlassen. Der iLint hingegen startet leise. Dazu mischt sich kurze Zeit später ein Surren, das beim Beschleunigen lauter und höher wird. Diese Geräuschkulisse ist jedoch gewöhnungsbedürftig.
„Sie können unbesorgt in den Zug einsteigen“, sagt Ferlemann. Unglücke, wie etwa mit dem Zeppelin „Hindenburg“, dessen Wasserstofffüllung sich 1937 entzündete, seien bei dem Zug ausgeschlossen. 300 Ingenieure hätten die Technologie erforscht und entwickelt. Damit sei der Wasserstoffantrieb so sicher wie jede andere Technologie im Bahnverkehr.
Der iLint verfügt neben den zwei Brennstoffzellen zusätzlich über zwei große Batterien. Diese speichern die Energie, die beim Bremsen entsteht. Außerdem nehmen die Batterien den überschüssig produzierten Strom aus der Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff auf. „Ohne die Batterien könnte der Zug im Alltag nicht eingesetzt werden“, sagt Hecht. Die Brennstoffzelle brauche eine gewisse Zeit, bis sie Energie erzeuge. Deshalb würde die Bahn beim Beschleunigen zunächst mit Strom aus den Batterien versorgt, bevor auf die Brennstoffzelle umgeschaltet werden kann. Daneben erfüllen die Batterien noch einen Zweck. „Sollte die Brennstoffzelle einmal nicht funktionieren, reicht die Energie der Batterien, um mit dem Zug zumindest bis zum nächsten Bahnhof zu kommen“, sagt Hecht. Je nachdem, wie gut sie geladen ist, könne die Energie sogar bis zur Endstation reichen.
Die Technologie aus Niedersachsen findet auch in anderen Bundesländern Anklang, etwa in Schleswig-Holstein oder in Nordrhein-Westfalen. „Interesse kommt aber nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Ländern wie den USA, Frankreich oder Großbritannien“, sagt Henri Poupart-Lafarge, Präsident von Alstom.
Der umweltfreundliche Antrieb hat seinen Preis. Das Land Niedersachsen bezuschusst die Anschaffung von 14 Bahnen mit insgesamt 81,3 Millionen Euro. Weitere 8,4 Millionen Euro kommen vom Bund. „Das ist sehr gut angelegtes Geld“, betont Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann. Der Brennstoffzellenzug ist nicht das einzige Modell, das derzeit als Alternative zur Dieselbahn getestet wird. Daneben wurden auch sogenannte Batterie-Hybrid-Züge entwickelt, die etwa alle 50 Kilometer über einen Fahrdraht aufgeladen werden müssen. „Beide Technologien sollten parallel weiter gepflegt werden. Anschließend kann geschaut werden, ob der Brennstoffzellenzug oder doch der Batterie-Hybrid-Zug sich am Ende durchsetzt“, sagt Hecht.
Nach gut zwei Stunden hat der iLint Cuxhaven erreicht. Anschließend fährt der Zug wieder zurück nach Bremervörde. Insgesamt werden bereits jetzt zwei Dieselbahnen ersetzt. Damit ist das Wasserstoffzeitalter im niedersächsischen Zugverkehr offiziell eingeläutet.
Autor: Aljoscha-Marcello Dohme
Fotos: Rainer Geue