Im Jahr 2021 feiert die legendäre AVUS ihren 100. Geburtstag. Ehemals eine Rennstrecke, gehört sie heute zum Berliner Straßennetz. Zeit um schon einmal zurück, aber auch nach vorn zu blicken.

Sie ist älter als der Nürburgring, war schneller als Monza und darf noch heute als Teil der Berliner Stadtautobahn befahren werden. Die AVUS, einst als „Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße“ konzipiert, brach in ihrer wechselvollen Geschichte so manchen Rekord. Ganz nebenbei wurde sie zum Symbol deutscher Geschichte. Wer sie verstehen will, sollte sich also nicht vor einer kurzen Geschichtsstunde scheuen.

Weitverbreitet ist etwa der Irrglaube, die AVUS sei das geistige Kind des Nationalsozialismus. Doch tatsächlich wurde sie schon 1909 von Kaiser Wilhelm II erdacht. Als Freund der Industrie war er überzeugt davon, die schnelle Piste am damaligen Stadtrand könne die noch junge deutsche Auto-Branche stärken. Den internationalen Motorsport dominierten längst Frankreich, Italien und England. So wurde auf kaiserlichen Befehl ab 1913 eine lange Schneise durch den Berliner Grunewald geschlagen.

Luftaufnahme der Avus aus den 30er Jahren

Erste reine Autostraße der Welt

Der erste Weltkrieg vereitelte jedoch einen pünktlichen Start. Erst 1921 wurde die AVUS mit ihrer ganz speziellen Form – zwei lange Geraden, verbunden durch Nord- und Südkurve – zum Austragungsort eines Rennens. Fortan war sie, während das gemeine Volk noch mit Kutschen oder Fahrrädern unterwegs war, die erste reine Autostraße der Welt. Die Piste hatte aber auch ihre Schwächen – neben einer teuren Maut vor allem ein sehr fragiles Fundament. Man experimentierte deshalb schon bald mit neuen Materialien. Asphalt, so hörte man, sei ganz vielversprechend.

Internationale Bedeutung erhielt die AVUS erstmals 1926. Die Premiere des Großen Preises von Deutschland lockte viele Fahrer mit Renommee. Das Publikum kam in Scharen. Doch nach einem tragischen Unfall mit vier Toten drohte das motorsportliche Aus, noch bevor die AVUS überhaupt hätte Geschichte schreiben können. Fortan nutzte man die langen Geraden als Schauplatz atemberaubender Rekordfahrten. Bald schon wurden Rekorde um 400 km/h gemessen, während die überhöhte Nordkurve aus Ziegelsteinen ab 1937 für noch mehr Nervenkitzel sorgte. Es waren die frühen Sternstunden der AVUS. Gleichwohl, sie waren von kurzer Dauer, denn erneut sollte ein Krieg die Piste für Jahre lähmen.

In der Nordkurve ließen einige ihr Leben

Umso sehnsüchtiger erwartete das Hauptstadt-Publikum nach dem Krieg die Helden am Volant. Hunderttausende säumten ab 1951 den Fahrbahnrand, um Sportwagen, Motorrädern und der Formel 1 zuzujubeln. Doch der spektakulären, steilen Nordkurve waren viele Fahrer nicht gewachsen. Einige ließen hier sogar ihr Leben. So verwunderte es nicht, dass die oberste Motorsportbehörde die Steilkurve 1967 verbot. Rund um die AVUS war sowieso längst eine moderne Autobahn entstanden. Den Berlinern kam ein platzsparender Neubau ganz gelegen.

Im Lichte der wachsenden Stadt und strengerer Vorschriften wurde der Niedergang der AVUS als Rennstrecke immer deutlicher. Zu unsicher und zu schnell waren auch die Rennen von Formel 3 oder DTM. Daran konnten neue Schikanen ebenso wenig ändern wie mobile Tribünen. Nach dem Fall der Mauer rollten dann nur noch mehr PKW über die AVUS. Der Druck wurde zu groß. 1999 fiel die Flagge zum letzten Mal. Doch immer noch ist die AVUS ein wichtiger Teil Berlins, wie die schnurgerade Fahrt auf der A115 beweist. Schnell denkt man an früher – an das Vorzeigeprojekt im Straßenbau, an Siege und Niederlagen, an Schicksale und Legenden.

Die überhöhte Nordkurve aus Ziegelsteinen sorgte ab 1937 für noch mehr Nervenkitzel.

Eine zeitgemäßen Retrospektive zum Geburtstag

Die AVUS ist damit ein überaus geschichtsträchtiger Ort, dessen anstehender 100. Geburtstag am 24. September 2021 würdig gefeiert werden will. Der ADAC Berlin-Brandenburg arbeitet deshalb gemeinsam mit „AVUS100“-Initiator Ulf Schulz an einer zeitgemäßen Retrospektive. Denn auch wenn sie nur selten mit der Zeit ging, hat die AVUS das wohl schnellste Jahrhundert der Geschichte überdauert. Bis heute. Weitere Informationen zum aktuellen Stand der Vorbereitungen zum 100. Geburtstag der AVUS finden Sie online auf avus100.de

Legenden der AVUS

  • Fritz von Opel, “Raketenfritz”: 238 km/h im Opel RAK2 (1928) – vier Räder und 120 Kg Schwarzpulver! Er war Entwickler, Geschäftsmann und Fahrer in einem.
  • Hermann Lang: Sieg auf der AVUS 1937, Durchschnittsgeschwindigkeit (!) im Rennen 276 km/h. Diese Zahl konnte erst 1986 bei den “Indy 500” (USA) getoppt werden. Lang fuhr 1937 übrigens ein Maximum (!) von knapp 400 Sachen.
  • Ewald Kluge: Großmeister im Motorradsport, das Denkmal an der AVUS zeigt ihn auf einer DKW geduckt. Er konnte hier siegen, wurde 1938 sogar Europameister und gewann als erster Nicht-Insulaner die Isle of Man.
  • Jean Behra: Starb im Rahmen des einzigen Formel 1-Rennens 1959, allerdings nicht im Hauptrennen, sondern bei den Sportwagen, als er im Porsche aus der Nordkurve flog. Zuvor konnte er wie seine Mitstreiter 4 km lang (!) Vollgas geben.
  • Dieter Quester: Rutschte 1990 bei der DTM im BMW M3 (nach Kontakt mit dem Reifenstapel sowie Überschlag) auf dem Dach über die Ziellinie (das Rennen wurde dann abgebrochen). Er wurde Dritter.

Text: Sven Wedemeyer
Fotos: ADAC Berlin-Brandenburg, AVUS100