Für Franz Schneider ist in Kühlungsborn ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen: Er fährt die schnellste Schmalspurbahn Deutschlands “Molli”, die in Bad Doberan sogar zur Straßenbahn wird.

Der Nachwuchs-Lokführer Franz Schneider steigt in seinen Arbeitsplatz

Abfahrbereit steht der Molli im Bahnhof von Kühlungsborn. Leise schnaufend wartet die fast schon freundlich dreinblickende Lok mit ihren großen Scheinwerferaugen  auf die nächste Tour. Mit einem geübten Schwung klettert Franz Schneider über eine Leiter an der Seite in den Führerstand. Sein Kollege Peter Nieseler hat dort bereits die Druckanzeige im Blick und lässt über einen Hebel etwas Dampf ab. Es zischt, weißer Dampf steigt vor der Lok auf. Schließlich gellt ein Pfiff über den Bahnsteig. Nieseler löst die Bremse und setzt über einen der vielen Hebel den Zug in Bewegung. Sein junger Kollege hat inzwischen die Tür zum Kessel geöffnet und wirft einen prüfenden Blick auf das Feuer. Schnell greift Franz Schneider zu einer Schaufel und legt drei Schippen Kohle nach. Das Feuer im Kessel darf nicht ausgehen, 30 Tage am Stück brennt es durch und muss auch nachts überwacht werden. „Dann wird der Kessel gereinigt“, erklärt Schneider.

 

 

Ursprünglich hat der 27-Jährige eine Ausbildung zum Karosseriebauer gemacht und restaurierte Schmalspurbahnen. „Lokführer auf einer Dampflok zu werden, war schon seit meiner Kindheit ein großer Traum. Aber da gab es so wenige Möglichkeiten, dass ich das irgendwann aus den Augen verloren habe“, erzählt er, während weißer Nebel am Fenster vorbeizieht und den Blick auf ein gelb blühendes Rapsfeld freigibt. Der Zufall führte Schneider dann doch noch in seinen Traumberuf: Als er in der Werkstatt der Molli anfing, durfte er auch direkt eine Ausbildung zum Lokführer machen. Mit ihm und Peter Nieseler stehen nun zwei Generationen gemeinsam in der 85 Jahre alten Lok, die inzwischen auf 40 km/h beschleunigt hat.

Die vielen Hebel und Anzeigen hat Franz Schneider gut im Griff

Das schnaufende Ungetüm zu fahren, erfordert einiges an Fingerspitzengefühl, alle Hebel und Schalter müssen manuell betätigt werden. Hinzu kommen Rangierfahrten und Kupplungen an den Endstationen und das Nachfüllen von Kohle und Wasser an den Stationen. Eine Tonne Kohle verbrennt der Ofen auf 100 Kilometer. In etwa 40 Minuten schafft die 900mm-Schmalspurbahn die rund 15 Kilometer lange Strecke von Kühlungsborn nach Bad Doberan. Und der Zug ist ein echter Hingucker: Ständig bleiben Menschen am Straßenrand stehen und zücken ihre Handys für ein Foto. Ein besonderes Highlight ist der letzte Streckenabschnitt: Hier fährt die Bahn mitten in Bad Doberan auf der Straße, direkt neben Autos, Fahrradfahrern und Fußgängern. Einer der anstrengendsten Momente für die beiden Lokführer, die zu zweit darauf achten, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer im Weg ist. Dampflok fahren ist Teamarbeit.

 

Liebe zum Detail: Ein Streckenabschnitt wurde mit historischen Telegraphenmasten ausgestattet

Auf der Mitte der Strecke in Heiligendamm begegnen die beiden ihren Kollegen in einem zweiten Zug. Insgesamt verfügt die Bäderbahn über drei Loks aus dem Jahr 1932 und einen Nachbau von 2009.  Für Sonderfahrten mit aufwendig restaurierten, luxuriösen Salonwagen gibt es zusätzlich noch eine kleinere Version aus 1951. Die Linie ist nicht nur bei Touristen beliebt, sondern wird auch von Einheimischen als Transportmittel genutzt. Enthusiasten haben sich in einem Verein organisiert und restaurieren mit Hingabe alte Waggons und statten die Strecke mit historischen Elementen wie Telegraphen-Masten aus. Die erfüllen zwar keinen praktischen Zweck, tragen aber viel zur Optik der Strecke bei.

 

Inzwischen dampft die Lok durch den Gespensterwald hinter Heiligendamm. Die Landschaft, die liebevoll gepflegten Züge, „so etwas findest du nur hier“, sagt Schneider, bevor er erneut das Feuer im Kessel prüft. Auch wenn der Zug erst in 23 Minuten die Endstelle erreicht: Schneider ist schon angekommen.

Zwei Generationen von Lokführern: Peter Niesler und Franz Schneider in der Molli

Webseite der Bäderbahn Molli

Autor: Hans Pieper
Bilder: Christian Rödel