Früher unterrichtete Stella Bauhaus Biologie, Mathe und Deutsch. Heute lehrt sie an Bord ihres Oldtimer-Busses der ehemaligen Linie 94, wie schön die Welt sein kann.
Einst fuhr die Buslinie 94 der BVG durch Westberlin. Heute endet der Fahrplan des roten Doppeldeckers nicht an der Stadtgrenze, sondern eröffnet seinen Fahrgästen ganz neue Horizonte. Die Berlinerin Stella Bauhaus holt mit dem Verein „Linie 94“ die unterschiedlichsten Menschen an Bord des umgebauten Oldtimer-Busses und überwindet mit ihnen Stadt- und Kiezgrenzen.
Wie akut das Thema der räumlichen Isolation ist, merkte die Lehrerin bereits 2011 an einer Berliner Schule. „Die meisten Schüler hatten einen Erfahrungsradius von vielleicht 500 Metern. Außerhalb ihres Kiezes war ihnen alles fremd“, erinnert sich die heute 30-Jährige, die daraufhin die Initiative ergriff.
Der Fußball-Weltmeisterschaft sei Dank
Bauhaus recherchierte, kaufte sich vom ersparten Geld einen alten BVG-Bus und legte ihre Lehrerlaufbahn auf Eis. Den Bus, ein Büssing-DE-74, brachte sie auf dem Hof der Berlin City Tour unter, wo sie prompt ein Praktikum anfing. So wurde aus der Lehrerin peu à peu eine Omnibusexpertin, die den Bus von 1974 in ein rollendes Klassenzimmer verwandelte. Dass es sich um einen Oldtimer handelte, hatte dabei einen entscheidenden Vorteil, wie Bauhaus wusste: „An alten Bussen kannst du noch selbst reparieren oder es dir schnell selbst beibringen. Das geht bei neuen Modellen mit all der verbauten Technik nicht.“
Probleme gab es dennoch. 22 Arbeits- und 53 Sitzplätze, ein autarkes Strom- und Wassernetz, ein Soundsystem sowie eine Vollküche samt Kumpir-Ofen kosteten Geld; Geld, das Stella Bauhaus allmählich ausging. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 hielt ihren Traum jedoch am Leben. Bei einer Verlosungsaktion gewann die Initiatorin ein neues Auto, das sie auf direktem Wege wieder verkaufte. Den Erlös steckte sie sofort in neue Umbauten.
Crowd-Funding-Kampagne für neue Ziele
2015 rollte das Klassenzimmer schließlich auf die Straße und kommt seitdem kaum noch zum Stehen. 2017 gründete Stella Bauhaus den „Linie 94 e.V.“ und zog mit dem Bus auf das freiLand-Gelände in Potsdam. Die Projekte, die Bauhaus und ihre sieben Mitarbeiter realisieren, sind so unterschiedlich wie die „Schüler“ selbst. So verbindet der rot-lackierte Bus Alt und Jung beim gemeinsamen Kochen, bringt Schüler an neue Orte und nimmt mit Flüchtlingen verschiedene Kulturangebote wahr.
Ab April kann „Linie 94“ dafür auf einen weiteren Doppeldecker-Bus setzen. Zudem startet der Verein zeitnah eine Crowd-Funding-Kampagne, um auch künftig Grenzen zu überwinden.
Mehr Informationen über den Verein Linie 94 und seine Kampagne gibt es hier.
Text: Leon Strohmaier
Fotos: Linie 94 e.V.