Ob weiße Weihnacht oder eisiger Januar: Räumfahrzeugfahrer Maik Dorn ist auf die Saison vorbereitet und sorgt auf Rügen für freie Straßen. Viel Übung hat er aus dem vergangenen März.

Die Luft ist kalt und klar, als Maik Dorn zu seinem Arbeitsplatz klettert. In die friedliche Stille der Nacht hinein lässt er den Motor an, ein Piepen schrillt kurz auf, die Scheinwerfer erhellen den Platz. Es ist drei Uhr morgens in Bergen auf Rügen. Maik Dorns Arbeitstag an diesem eisigen Märzanfang beginnt. Der 33-Jährige ist Straßenwärter bei der Straßenmeisterei der Ostseeinsel.

Der Ostwind hat Schnee auf die Bundes- und Landesstraßen geweht. Die weiße Pracht sieht vom Sitz oben im Räumfahrzeug idyllisch aus. Doch spätestens ab sechs Uhr, wenn Berufs- und Schülerverkehr losrollen, muss eben jene Pracht möglichst weit weg von der Fahrbahn sein.

Von Bergen aus geht es mit 30-40 km/h in den Osten nach Sassnitz, wo der Fährhafen liegt. Dorn ist in seinem Element. Schon kurz nach dem Start muss der 33-Jährige seinen Schieber aktivieren. Bei der Fahrt bestreut er eine Fläche von etwa sieben Quadratmetern. „Wenn es viel Gegenverkehr gibt, dann stelle ich auf drei Meter runter. Ich muss die Autos ja nicht ohne Not voll spritzen“, erklärt Dorn.

Mit drei Tonnen Salz ist er auf der ersten Tour unterwegs. Je nach Fahrbahntemperatur dosiert er sein Streugut, das kein reines Salz ist, sondern auch Lauge enthält. Die Mischung wird auch Feuchtsalz genannt. Zusammen kommen die etwa 70 Prozent Trockensalz und die 30 Prozent Sole erst beim Streuen. Das sorgt für die besten Tauergebnisse.

Dorns Monitor zeigt ihm die Temperatur der Straße: minus sechs Grad. Die Luft ist wärmer: minus ein Grad. Mit dem Einsatz mitten in der Nacht hat er schon gar nicht mehr gerechnet. Während es im restlichen Mecklenburg-Vorpommern nur trüb und trocken ist, sind auf der Insel manche Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten und der Schnee türmt sich zu einer Seitenwand auf. „Das kann durch die geografische Lage von Rügen passieren“, erklärt Maik Dorn. Die Insel hat drei bis vier Wetterzonen.

In dieser Nacht habe er Glück mit dem Neuschnee, sagt er und wird etwa hundert Meter vor einer Kreuzung besonders aufmerksam. Abbiegen ist eine Gefahrenstelle. Er drosselt die Geschwindigkeit, lenkt ein, schiebt Schneemassen weg und verteilt sieben Gramm Feuchtsalz je Quadratmeter.

Von Sassnitz räumt er die Strecke nach Sagard auf. Müde? Nein, müde werde er bei seiner Zwölf-Stunden-Schicht auf keinen Fall. Die Arbeit verlangt dem Herrn der freien Straßen viel Konzentration ab. Je nach Witterung und Neuschnee müsse er schnell umdenken. Außerdem fahre er regelmäßig rein zum Nachladen, Kaffee trinken und Bericht erstatten. Laut seiner Chefin Annett Jackisch kann sie bis zu 17 Fahrzeuge gleichzeitig in den Einsatz schicken, um das 380 Kilometer lange Straßennetz der Insel zu räumen und zu streuen.

Für Maik Dorn wird es zwischen Sagard und Bobbin den frühen Morgenstunden noch einmal eng: Eine Allee mit extremen Schneeverwehungen, kaum Sicht, zu allem Überflussquetscht sich hier und da noch ein entgegenkommendes Auto vorbei. „Manchmal sind nur die Bäume mein einziger Orientierungspunkt“, sagt der junge Familienvater, der nach Dienstschluss beim Toben mit den Kleinen abschaltet.

Mit den hohen Bäumen fühlt er sich im Übrigen besonders verbunden. Wenn er im Frühling und Sommer „schneefrei“ hat, ist er täglich mehrere Kilometer zu Fuß in den Wäldern unterwegs. Er begutachtet Bäume, schaut, ob sie Risse aufweisen oder befallen sind. Dann ist Maik Dorn „Baumwart“ – draußen, bei Tageslicht, mitten im Wald. Auch dort genießt er die friedliche Stille – wie zu Eiszeiten in der Nacht, wenn nur er auf der Straße ist und für die Insulaner einen Weg durch den Winter bahnt.

Autorin: Claudia Tupeit
Fotos: Christian Rödel