Diesel-Fahrverbote sind die eine, Hardware-Nachrüstungen die bessere Alternative. Die weltgrößte Produktionsstätte für AdBlue liegt ganz im Norden. Wir haben mal vorbeigeschaut

Büttel, am südwestlichen Ende Schleswig-Holsteins. Das Marschland ist flach, auf saftigen Weiden grasen die Kühe, und wo der Nord-Ostsee-Kanal auf die Elbe trifft, ragt das Zentrum der chemischen Industrie über den Deich. Dutzende Windräder stehen in unmittelbarer Nähe zum Atommeiler, so als habe die Energiewende ausgerechnet an diesem Ort ein Zeichen setzen wollen. Hier synthetisiert die norwegische Firma Yara Harnstoff. Und damit auch AdBlue, jenes Additiv, das die NOX-Emissionen der Dieselmotoren nachweislich um bis zu 90 Prozent senkt. Weil das so ist und viele Menschen gern mal tief durchatmen, steigt die Nachfrage überall auf der Welt an. Grund genug für die Norweger, 28 Millionen Euro in die Hans zu nehmen und an der Elbe zu investieren – und einen neuen Tiefwasseranleger gleich mal mit errichten lassen.

„Diese Anlage“, sagt Geschäftsführerin Julia Lindland, „ist nicht irgendeine, sondern die größte weltweit. Mit unserer Kapazität von 1,1 Millionen Tonnen jährlich könnte man die gesamte Dieselflotte Deutschlands, Österreichs und der Schweiz ausrüsten, Pkw wie Lkw. Oder, um es anders auszudrücken – wir können von hier aus die Hälfte der europäischen Nachfrage bedienen.“ Ein energieintensiver Vorgang: Yara zweigt in Büttel annähernd ein Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs ab. Und dennoch hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren den Abgasausstoß der bei der Produktion um eine halbe Million Tonnen senken können.

Yara-Geschäftsführerin Julia Lindland

Was am Ende im Zusatztank des Selbstzünders landet, beginnt an der frischen Luft. Aus ihr holen sich die Techniker den Stickstoff, den sie benötigen. Sie tun das mithilfe einer mehrfamilienhaushohen Anlage, in weit verzweigten Rohrsystemen unterschiedlicher Stärke. „Der ganze Prozess ist relativ simpel – Ammoniak plus CO2 ergibt Harnstoff plus Wasser“, erläutert Lindland. Dieser Harnstoff, ein weißes Granulat, wird mit hoch reinem Wasser zu AdBlue herunterverdünnt. Das fließt dann über eine Pipeline in die Schiffstanks im wenige hundert Meter entfernt angelegten Tiefwasserhafen und von dort aus in alle Welt.

Oder wird direkt mitgenommen: Aus einem voll digitalen, 17.500 m3 fassenden Speicherturm lassen sich Lkw-Tanks mit 1.200 Liter pro Minute befüllen. Rund um die Uhr bedienen sich die Speditionen hier und vermeiden so Stoßzeiten. Den Harnstoffgehalt der Lösung kann der Fahrer über die Computersteuerung selbst bestimmen.

 

In Tüten abgefüllt ist das Endprodukt dann im Handel zu erwerben. Und sorgt beim Diesel für sauberere Abgase. Denn dass diese Hardware-Nachrüstungen funktionieren, hat ein Langzeittest des ADAC bewiesen. Fahrverbote hingegen verlagern die Stickoxide nur in andere Straßenzüge. Und auch dort wohnen Menschen, die gern mal tief durchatmen.

Autor: Ulf Evert
Bilder: Yara, Ulf Evert