Kalter Krieg und Wiedervereinigung: Christoph 31 der ADAC Luftrettung blickt auf 30 bewegte Jahre zurück. Die Jubiläums-Crew des Helikopters freut sich bereits auf die nächsten drei Dekaden.
Es ist ein Tag, an dem Berlins Vision Zero greifbar scheint: Kein Verkehrslärm, keine Sirenen; auch die Rotorblätter von Christoph 31 auf dem Landeplatz des Campus Benjamin Franklin stehen an diesem Donnerstagvormittag still. Unweit des Rettungshubschraubers der ADAC Luftrettung lehnt Nico Hellmann in der Wohnstube des Hangars am Fenster und genießt die ungewohnte Ruhe.
Genau 30 Jahre nachdem Christoph 31 im geteilten Berlin zum ersten Mal abhob – damals noch unter amerikanischer Flagge – stellt der Pilot mit drei weiteren Kollegen sowie 19 Notärzten der Charité und vier Rettungsassistenten das Team, aus dem sich die Crews des Rettungsfliegers zusammensetzen.
Weltweit die Nummer Eins
An Bedeutung hat der Gelbe Engel seit seinem Jungfernflug 1987 nicht verloren. Die ehemalige Polizeimaschine fliegt weltweit die meisten Einsätze, hob alleine im vergangenen Jahr 3.511 Mal ab. Erst vor Kurzem beendeten Hellmann und sein Team den 70.000 Einsatz.
Um 16.07 Uhr springt schließlich das Faxgerät an. „Herzbeschwerden mit Atemnot“ lassen den Rettungshubschrauber abheben, um nur kurze Zeit später zurückzukehren – Fehleinsatz. Dieser offiziellen Bezeichnung haftet allerdings ein gewisser Zynismus an, bedeutet es doch oft, dass es dem Patienten besser geht, als zunächst vermutet. Ein Rettungswagen reicht in solchen Fällen aus.
„Herausforderung und Privileg zugleich“
„Wenn dein bester Freund, deine Mutter oder dein Vater reglos neben dir liegt, kann es dir keiner übel nehmen, wenn du den Notruf wählst und wir deshalb alarmiert werden“, weiß Hellmann die Fehleinsatz-Quote von 30 Prozent richtig einzuschätzen.
Doch es gibt auch die Fehleinsätze, bei der jegliche Hilfe zu spät kommt. „Verletzungen, die nicht mit dem Leben vereinbar sind“, so der Fachjargon. Es sind Situationen, an denen andere zerbrechen würden. Die Besatzung tut es nicht, auch wenn solche Tage nicht spurlos an ihr vorbei gehen, wie Ex-Soldat Hellmann zugibt: „Man nimmt seine Einsätze immer mit nach Hause.“ Hans-Christian Mochmann, dienstältester Notarzt der Station, pflichtet ihm bei: „Der Job ist Herausforderung und Privileg zugleich.“
Christoph 31 – immer „etwas Besonderes“
Zwischen all diesen Geschichten arbeitet einer bereits seit 27 Jahren und hat sich seine Begeisterung stets bewahrt. Trotz oder gerade wegen allem. „Der Hubschrauber ist und bleibt etwas Besonderes. Das war so, das ist so und das wird auch so bleiben“, betont Rettungsassistent Klaus Ebert mit einem selbstverständlichen Achselzucken.
Mit jener Selbstverständlichkeit möchte auch Nico Hellmann, der erst seit Januar 2016 Teil der Mannschaft ist, die kommenden 22 Jahre bis zu seiner Pensionierung im Cockpit von Christoph 31 sitzen, „denn hier gehst du mit dem Gefühl ins Bett, dass es anderen Menschen besser geht, nur weil wir dort waren.“
Text, Fotos, Video: Leon Strohmaier