Im Oktober 2017 riefen die BVG und die Agentur für Arbeit ein Pilotprojekt zur Integration von Geflüchteten ins Leben. Eine beispielgebende Erfolgsgeschichte.

vlnr: Mohamad Khair Al Halabi (42, Syrien), Nwar Al Jairudi (38, Syrien), Zoheir Senad (38, Algerien).

Berlins Busfahrer: berühmt, berüchtigt und doch irgendwie ein Wahrzeichen der Stadt. Zu einer Fahrt durch die Hauptstadt mit den Öffis gehören blaue Flecken durch den steten Wechsel von Vollgas zu Vollbremsung einfach dazu. Die Weisheiten der Busfahrer sind längst Teil des Berliner Folklore-Fundus: „Dit is keen Adventskalenda, wir öffnen ALLE Tüan!“. Fröhliche Weihnachtszeit.

Doch passend zur schönsten Zeit des Jahres schlagen die Berliner Verkehrsbetriebe gemäßigtere, höflichere Töne in ihren Bussen an; oder vielmehr ihre neuen Angestellten. Nwar Al Jairudi, Mohamad Alsaid, Mohamad Khair Al Halabi und Zoheir Senad gehören zu den 16 Teilnehmern des Projekts „Geflüchtete in den Fahrdienst“.  Das Ziel der Patenschaft zwischen BVG und der Agentur für Arbeit ist es, Migranten mit Bleibeperspektive eine Ausbildung zum Omnibusfahrer zu ermöglichen und eine berufliche Perspektive zu bieten.

Aus Angst wird Hoffnung

Der 33-jährige Syrer Mohamad Alsaid landete 2015 nach Stationen in Algerien, Marokko und Spanien mit zwei Kindern, einem Koffer und 20 Euro am Flughafen Tegel. „Ich wusste nicht wirklich, was uns erwartet. Ich hatte Angst, dass die Polizei kommt und uns zurückschickt“, erinnert sich der alleinerziehende Vater zweier Töchter. Doch anstatt einer weiteren Station auf seinem Weg fand Alsaid in Berlin ein neues Zuhause: „Das ist meine Heimat, hier bin ich sicher. Heute trage ich einen Anzug, wie ich es nur zu meiner Hochzeit getan habe.“

Mohamad Alsaid fühlt sich nach Stationen in Algerien, Marokko und Spanien endlich angekommen: “Das ist meine Heimat, hier bin ich sicher”.

Der einstige Literaturstudent aus Damaskus spricht von seiner neuen Arbeitsuniform in den höchsten Tönen, sein weißes Hemd unter der marineblauen Anzugweste spannt sich über die vor Stolz geschwollene Brust. Selbst Schichtdienst und regelmäßig wechselnde Routen tun seinem Enthusiasmus keinen Abbruch: „Wenn wir immer um die gleiche Uhrzeit aufstehen und immer dieselbe Route fahren, würden wir ja irgendwann unkonzentriert werden.“

Win-win-win-Situation

Das Pilotprojekt scheint ein Jahr nach seinem Start nur Gewinner zu kennen. Die 16 Geflüchteten haben allesamt ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Während 13 von ihnen eine unbefristete Festanstellung bei der BVG erwartet, haben drei Anstellungen bei anderen Verkehrsbetrieben gefunden. „Eine Traumquote, die wir selten erreichen. Das ist beispielhaft, auch auf Bundesebene“, freut sich Mario Lehwald, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Berlin Süd. Die BVG punktet mit „Geflüchtete in den Fahrdienst“ gleich zweifach.

Das Unternehmen liefert nicht nur ein Paradebeispiel für das Wahrnehmen sozialer Verantwortung,  die Berliner Verkehrsbetriebe wirken mit dem Projekt, das auf jeden Fall fortgeführt werden soll, auch dem steigenden Durchschnittsalter ihrer über 4.700 Fahrer entgegen. Die Gefahr, dass Berlin durch die zunehmende Höflichkeit seiner Busfahrer eines seiner Wahrzeichen verliert,  sieht BVG-Sprecher Markus Falkner allerdings nicht. „Bei uns soll einfach jeder so sein, wie er ist. Ein Busfahrer aus dem Rheinland soll seinen rheinischen Frohsinn bei uns auch nicht ablegen“, lacht der Pressesprecher.

Text: Leon Strohmaier

Fotos: Ruby Images/F. Boillot