Vieles können Feuerwehrleute und andere Rettungskräfte üben, aber nur sehr eingeschränkt das Fahren mit Sonderrechten. Der ADAC Schleswig-Holstein bietet deshalb ein Training am Simulator an.

„Erst reagiert er gar nicht, und auf einmal bremst er an der engsten Stelle.“ Katja König von der Freiwilligen Feuerwehr Altenholz erlebte jüngst ganz real eine solche Szene, als sie zu einem Einsatz unterwegs war und der Fahrer vor ihr so gar nichts mit der Situation anzufangen wusste. Solche oder ähnliche Geschichten über gefährliche Situationen bei Blaulichtfahrten können auch die anderen gut 60 Aktiven der Altenholzer Truppe erzählen. Etwa der mit 16 Jahren Erfahrung beschlagene Hauptlöschmeister Mathias Brumme, der die Zustände manchmal geradezu zum Verzweifeln findet: „Die Leute denken einfach nicht mit.“

Doch die Leute sind wie sie sind. Und den Rettern bleibt nichts anderes übrig, als damit umzugehen. Theoretisch wissen sie über den korrekten Umgang mit den Sonderrechten, die ihnen Blaulicht und Martinshorn verleihen, zumeist bestens Bescheid. „Aber das reicht nicht“, betont Wehrführer Rainer Kersten. Auch wenn’s ums Tatütata geht, macht nach seiner Überzeugung letztlich die Übung den Meister.

Als erste Feuerwehr im Land haben die Altenholzer Mitte November den mobilen Einsatz-Simulator des ADAC genutzt. Ein Jahr Vorbereitung steckt in dem Projekt, dazu jede Menge Ausbildung für die Moderatoren, die das Training anleiten. „Eine tolle Möglichkeit“, freut sich Wehrchef Kersten und ist besonders begeistert darüber, dass der Simulator direkt in seiner Feuerwache aufgebaut und damit den ehrenamtlichen Rettern die Fortbildung erheblich leichter gemacht wurde.
Je nach Bedürfnis setzen sich die Teilnehmer ans virtuelle Steuer eines Rettungswagens, eines bis zu 7,5 Tonnen schweren Einsatzleitwagens oder eines Löschfahrzeugs, das im Fall der Altenholzer Wehr satte 14 Tonnen auf die Straße bringt. Katja König, Mathias Brumme und die anderen 18 Teilnehmer des Pre-mieren-Trainings nehmen zunächst in einer kurzen Eingewöhnungsrunde Tuchfühlung mit dem Simulator auf. Und brauchen fast durchweg ein bisschen, bis sie sich daran gewöhnen. „Das ist normal, aber nach ein paar Minuten hat man’s drauf“, weiß Fahrsicherheitstrainer Jens Pfeiffer, der die Übungen mit seinem Kollegen Mike Marra anleitet.

Mathias Brumme kann das bestätigen. Obwohl die Verkehrssituationen beim Warmfahren mit keinerlei Gemeinheiten gespickt sind, hält ihm das sprechende Übungsgerät wie den meisten anderen Kameraden schon nach kurzer Zeit vor: „Das war ein Unfall!“ Seiner Mitstreiterin Katja König ergeht es nicht anders, doch als es in der nächsten Runde ernst wird, meistern beide die Herausforderungen ohne Blechschaden. Und das, obwohl es die einprogrammierten Szenarien in sich haben. Ein Fußgänger spaziert trotz aller Warnsignale in aller Ruhe über den Zebrastreifen, ein Pkw hält vor der roten Ampel und blockiert das Feuerwehrauto, ein Taxi steht mitten auf der Fahrbahn, und am Straßenrand könnte ein ballspielender Junge jederzeit auf die Straße laufen.

„Oh nee“, entfährt es der Altenholzer Feuerwehrfrau, als gar ein Wildschwein samt Nachwuchs ihren Weg kreuzt. Wenig später hat sie mit widrigem Wetter von Nieselregen bis zu Schneefall zu kämpfen. „Das ist natürlich ein bisschen viel auf einmal, aber schon relativ nah an der Realität“, bilanziert die 33-Jährige später. Alles, was der Simulator aufgeboten hat, kann nach ihrer Erfahrung auch im echten Einsatz passieren.

Echte Einsätze sind für die Truppe in der 10.000-Einwohner-Gemeinde Altenholz gar nicht so selten. 80 bis 90 Mal pro Jahr rücken die Freiwilligen aus, fast immer mit Blaulicht. Die einzelnen Aktiven sitzen dennoch teils nur alle paar Wochen hinterm Steuer eines Dienstwagens, weil sie weit weg arbeiten oder bei kleineren Vorkommnissen nur ein Teil der Mannschaft benötigt wird. Übung tut also not, meint Wehrführer Kersten, für den der Simulator ein wichtiges zusätzliches Element in der Ausbildung darstellt.

Aber er weiß natürlich auch, dass solch künstliche Fahrten trotz aller Realitätsnähe allein nicht ausreichen. Gedacht ist der schon jetzt bei den Rettungsorganisationen äußerst gefragte Simulator tatsächlich als erster Baustein eines Blaulicht-Trainings, bestätigt Trainer Jens Pfeiffer. Wirklich rund wird es aus Sicht des Experten vom ADAC erst, wenn als zweiter Baustein ein Training mit echten Fahrzeugen folgt. Dass dann auch ein Wildschwein vorbeikommt, das kann er allerdings nicht garantieren.

Autor: Martin Geist
Fotos: Uwe Paesler