Wenn der Gelbe Engel nicht mit dem Auto kommt: In Berlin setzen die Pannenhelfer auf Fahrräder mit Anhängern. Wir waren mit Pannenhelfer Dirk Nießl und seinem besonderen Gefährt unterwegs.

Überrascht, neugierig oder mit einem Strahlen im Gesicht, so reagieren die Leute, wenn Dirk Nießl von der ADAC-Straßenwacht in der Berliner Innenstadt unterwegs ist. Das Besondere: Der Kfz-Meister fährt nicht in einem der bekannten gelben ADAC-Autos zur nächsten Panne, sondern tritt in die Pedalen seines E-Bikes mit Anhänger. Was letztes Jahr als Pilotprojekt gestartet ist, geht nun in die zweite Saison. Bis Oktober werden Dirk Nießl und zwei seiner Kollegen mit ihren E-Bikes durch den Großstadtdschungel brausen. Wir waren bei einer Tour dabei.

Dirk Nießl ist Pannenhelfer und E-Bike-Fahrer aus Leidenschaft

Es ist 8.30 Uhr, gleich beginnt der Einsatz, Nießl kontrolliert noch einmal sein Werkzeug. Ein normales Straßenwachtauto hat 500 Teile und kommt damit auf 650 Kilogramm im Kofferraum. All das soll nun in den kleinen gelben Fahrrad-Anhänger passen? „Ich habe reduziert: von jeder Schraube, jeder Dichtung und jeder Sicherung nur ein Exemplar. Was ich verbrauche, fülle ich abends wieder nach“, erklärt Nießl. Was er im Gegensatz zu seinen Kollegen im Pkw nicht dabei hat, sind neue Autobatterien, ein Wagenheber und die Abschleppstange. So kommt sein Anhänger auf 62,8 Kilo, bis zu 70 Kilo darf er mitnehmen.

„Am Anfang hatte ich Angst, ob ich auch wirklich alles an Bord habe, wenn ich auf Panne fahre. Doch bisher konnte ich nur einmal nicht helfen. Da war ein Anlasser defekt und ich musste einen Abschleppwagen rufen“, erinnert sich der 45-Jährige. Nießl ist einer, zu dem man sofort einen guten Draht hat, der gerne lacht, gerne anpackt. Umso mehr trifft es ihn, wenn er vor Ort mal nicht helfen kann. Seit 13 Jahren ist Gelber Engel, erst im Auto und nun auf dem E-Bike, „mit dem ich Sport und Arbeit gleichzeitig machen kann“, wie er sagt.

Jetzt aber los: Nießl bekommt seinen ersten Auftrag von der Zentrale auf sein Tablet geschickt, das am Lenker angebracht ist. Eine Spezialkonstruktion mit extra langlebigen Akkus, die für einen Tag im Einsatz reichen müssen. Das Tablet ist gleichzeitig das Computerdiagnosegerät, das bei modernen Autos nach Fehlern sucht. Der Auftrag jetzt: Ein Mercedes startet nicht, vermutlich eine leere Batterie. Standort: Kurfürstenstraße. Der Weg dorthin: vier Kilometer durch den Berliner Berufsverkehr, vorbei an der Technischen Universität, um die Siegessäule herum und durch den Tiergarten hindurch. Mit dem E-Bike und konstanten 24 km/h rauscht die Stadt vorbei, ohne das Nießl am Ende erschöpft oder verschwitzt ankommt. Da, wo die Autos sich mal wieder stauen, fährt er auf dem Fahrradweg einfach an ihnen vorbei.

E-Bike-Pannenhelfer im Einsatz auf der Kurfürstenstraße
Einsatz auf der Kurfürstenstraße: Im Fahrrad-Anhänger hat Dirk Nießl alles dabei, um den liegen gegliebenen Wagen wieder fit zu machen.

Der Mercedes-Fahrer wartet, schaut nach links, nach rechts, kann aber keinen gelben Wagen entdecken. Nießl winkt. Der Mann sieht herüber, will schon wieder wegschauen, dann erkennt er die ADAC-Fahne am Anhänger und die gelbe Kiste mit dem Schriftzug ‚Pannenhilfe‘. „Mensch, jetzt kommen Sie schon auf dem Fahrrad. Das ist aber eine Überraschung“, sagt er und führt in die Tiefgarage zu seinem Fahrzeug. Nießl überprüft die Strom-Spannung in der Batterie: 9,8 Volt. 12 Volt sollten es aber sein. Deswegen gibt er mobile Starthilfe.

Nießl bekommt noch einen festen, dankbaren Händedruck und weiter geht’s. Wieder eine Starthilfe. Doch diesmal kann er der Frau mit ihrem silbergrauen Astra nicht helfen. Die Batterie ist hinüber. Das ist ein Fall für die Autokollegen. „Eigentlich filtert die Zentrale die Anfrage. Wenn zum Beispiel ein Reifen gewechselt oder die Batterie ausgetauscht werden muss, kann gleich der Kollege hinfahren. Aber wir sind ja in der Testphase. Das ruckelt sich noch zurecht“, erklärt er.

Dirk Nießl ist von dem Erfolg der Pannenhilfe auf zwei Rädern überzeugt. Schnell, flexibel und umweltfreundlich kommt er durch die Stadt, dazu die frische Luft, die Bewegung und der Kontakt mit den Menschen. „Das macht einfach Spaß“, sagt er. Doch jetzt muss er zum nächsten Auftrag, wieder eine Starthilfe und hoffentlich wieder ein dankbares Strahlen im Gesicht.

 

Text und Fotos: Karl Grünberg