Seit April können die Piloten der ADAC Luftrettungsstation Senftenberg dank spezieller Brillen auch nachts ohne Bodenunterstützung fliegen. Gut ein halbes Jahr später zieht Pilot Thomas Klemm Bilanz.

Der Blick durch die spezielle Nachtsichtbrille.

Herr Klemm, wie funktioniert das Night-Vision-Imaging-System, kurz NVIS?

Klemm: Die Brillen verstärken das vorhandene Restlicht. Sie sind letztlich also „bessere Augen“.

Wenn Sie nachts beispielsweise über den Spreewald fliegen, gibt es aber nicht gerade viel Licht, das die Brille verstärken kann…

Klemm: Das ist richtig. Daher ist der Mond auch unser bester Freund.  Ansonsten können wir immer noch unsere Scheinwerfer einschalten. Sind schlechte Licht- und Wetterverhältnisse allerdings schon im Vorfeld prognostiziert, heben wir erst gar nicht ab.

Der erste Nachteinsatz führte „Christoph Brandenburg“ in den Landkreis Spreewald.
Der erste Nachteinsatz führte „Christoph Brandenburg“ in den Landkreis Spreewald.

Was ist, wenn es dann plötzlich doch hell wird? Kurzer Blindflug?

Klemm: Um Himmels Willen, nein, das verhindert die Technik. Im schlimmsten Fall können wir die Landung immer noch abbrechen. Prinzipiell fliegen wir den Einsatzort steiler und mit geringeren Geschwindigkeiten an, um auf jede Eventualität reagieren zu können.

Wie haben Sie sich auf diese neue Art von Einsätzen vorbereitet?

Klemm: Da man viel mit der Technik üben muss, haben wir schon vor einiger Zeit damit begonnen, NVIS zu nutzen. Allerdings nur für Flüge zwischen Kliniken, um Patienten zu verlegen. Erfahrung ist die Grundlage für einen sicheren Flug. Denn jede Nacht ist anders.

Bedeutet das nicht eine deutlich höhere Arbeitsbelastung für Sie?

Im Gegensatz zu Einsätzen bei Tag besteht die Crew eines Rettungshubschraubers bei Nacht aus zwei statt nur einem Piloten sowie einem Notarzt und einem Notfallsanitäter
Im Gegensatz zu Einsätzen bei Tag sitzen bei Nachtflügen zwei Piloten im Cockpit.

Klemm: Die Belastung ist durch die Nachteinsätze nicht höher geworden. Dafür sorgt auch die Leitstelle Lausitz in Cottbus, die ganz genau abwägt, ob ein Notfall unser Eingreifen erfordert oder nicht. Wir sprechen einfach von einer anderen Art der Belastung.

Die NVIS -Technik bringt beispielsweise zusätzliche 1,5 Kilo auf unsere Helme. Das macht sich beim ständigen Kopfschwenken bemerkbar.  Zudem sehen wir durch die Brillen nur ein zwei-dimensionales Bild in einem kleinen Ausschnitt.

Da wir die Instrumente des Hubschraubers dabei nur unter der Brille hindurch überwachen können, ist einfach ein hohes Maß an Konzentration erforderlich.

 

Die Crew von „Christoph Brandenburg“ bei ihrem ersten Nachteinsatz: Die Piloten Thomas Klemm und Jan Weber, der Notfallsanitäter Maik Pochert und Notarzt Dr. Swen Burdack.
« 1 von 3 »

 

Das Interview führte: Leon Strohmaier
Fotos: ADAC e.V.